Zehnter-Mann-Regel
Die "Zehnter-Mann-Regel"
Definition
Die sogenannte "Regel des zehnten Mannes“ kann bei dem Prozess der Entscheidungsfindung innerhalb einer Gruppe sehr behilflich sein, vor allem dann, wenn die Gruppe für ein weltfremdes Gruppendenken anfällig ist. Kommt es zu dem Fall, dass alle auf den Zug aufspringen wollen, der gerade den Bahnhof verlässt, ist es die Aufgabe des "zehnten Mannes", es zu verhindern. Der Sinn dahinter ist es, eine zu euphorische Gruppe vor schnellen und schlecht durchdachten Entscheidungen zu beschützen. Der Schutz wird durch einen "zehnten Mann" gewährleistet, der in die Annahmen der Gruppe gewisse "Löcher" sticht. Dadurch werden alle Gruppenmitglieder gezwungen, langsamer zu denken und ihre Entscheidung zu überprüfen. Mit dieser Strategie können neue und bessere Pläne entwickelt werden sowie ein mögliches Risiko gemindert werden.
Worum geht es?
Im Film „World War Z“ mit Brad Pitt kommt es zu einer Zombie-Apokalypse: Bis auf Israel wird die komplette Welt von Zombies überrannt. Um zu überleben, müssen die Menschen schwerwiegende und lebensverändernde Entscheidungen treffen.
Im Gegensatz zum Rest der Welt, hat Israel seine Entscheidungen gut überdacht und an die außergewöhnliche Situation angepasst. Das führte dazu, dass sich das Land am längsten gegen Zombies verteidigen konnte. Im Film bildeten die verschiedenen Ereignisse aus der Vergangenheit die Grundlage der veränderten Denkweise des israelischen Geheimdienstes namens Mossad. Durch diese Ereignisse wurden auch die restlichen Menschen gezwungen, ihre zukünftigen Entscheidungen besser zu prüfen.
Als ein Kommuniqué mit der Nachricht von Zombies abgefangen wurde, diskutierte dies ein zehnköpfiger Rat unter verschiedenen Bedingungen. Während neun von diesen zehn Personen, von denen alle dieselben Informationen vorliegen hatten, zu demselben Ergebnis kamen, war es die Aufgabe der zehnten Person, eine andere Meinung einzunehmen. Die zehnte Person musste also der sich in der Gruppe etablierten Meinung bewusst widersprechen. Durch diese Person, die gegen die Position der Mehrheit argumentiert, wird automatisch eine exakte Prüfung der Gegenposition mit Ausarbeitung von Gegenmaßnahmen durchgeführt. Dabei ist es egal, wie unwahrscheinlich eine solche Situation wie eine Zombie-Apokalypse ist: Hat der zehnte Man am Ende Recht, werden die Menschen gut vorbereitet sein.
Die Grundlage für die Entscheidungsfindung in „World War Z“ bildet ein spannender Begriff, der im Gegensatz zur fiktiven Geschichte über die Zombie-Apokalypse einen realistischen Ursprung hat: Dieser Begriff lautet "Advocatus Diaboli".
Advocatus Diaboli
Als "Advocatus Diaboli" (deutsch: "der Anwalt des Teufels") wird eine Person bezeichnet, die absichtlich gegen die akzeptierte oder vorherrschende Sichtweise einer Gruppe argumentiert. Dabei muss die Person selbst nicht unbedingt davon überzeugt sein, dass die andere Sichtweise richtig ist. Die Aufgabe des Anwalts des Teufels besteht darin, eine antagonistische Sichtweise einzunehmen, diese zu verteidigen und zu etablieren, damit die Schwächen einer anderen Idee leichter aufgedeckt werden können. Um so eine Position einnehmen zu können, braucht man ein kritisches Denkvermögen, eine starke Persönlichkeit sowie die Bereitschaft, sich einer Gruppe entgegenzustellen.
Bei Berufen, bei denen die Argumente stichhaltig und überprüfbar sein müssen, werden Lernende mit dieser Methode unterrichtet. Die Methode soll dazu dienen, die Objektivität und die Blindheit gegenüber der Arbeit oder den Fähigkeiten der Gruppe abzuwenden.
Dilemma des Gruppendenkens
Oftmals kann es sein, dass die Entscheidung einer Gruppe besser ist als die einer einzelnen Person, da bei einer Gruppenentscheidung mehrere Menschen kollaborativ an einer Lösung gearbeitet haben. Somit können die Einschränkungen einer einzelnen Person bzw. eines einzelnen Geistes überwunden werden. Jedoch ist es ebenfalls bekannt, dass eine viel zu starke Gruppendynamik zu den oben genannten Problemen und Fehlentscheidungen führen kann. So können sich Gruppen zu lange mit trivialen Themen auseinandersetzen, Probleme und Lösungen kognitiv verzerren und blind gegenüber anderen, potenziell besseren Möglichkeiten werden.
Der Grund dafür kann das bereits erwähnte menschliche Verlangen nach Harmonie und sozialer Konformität sein. Viele Menschen wollen, dass ihre Teams kooperativ und harmonisch arbeiten und sich auch in einer schwierigen Situation einig werden können. Aus diesem Grund kann es dazu kommen, dass die Mitglieder einer Gruppe lieber einander zustimmen, statt mit einer Gegenmeinung ein Konflikt in der Gruppe auszulösen. Zusätzlich ist das Streben nach Harmonie eine Barriere für die Bewertung von Fakten und Problemen, dem kritischen Denken und der Abwägung von passenden Lösungen.
In der Politik komm der Advocatus Diaboli durch die Opposition zum Einsatz, welche die Arbeitsweise der regierenden Parteien in Frage stellt und überprüft.
Nachteile
Jede Methode oder Arbeitsweise birgt auch seine Schattenseiten und potenzielle Konflikte:
- Wo liegt die Grenze zwischen einer konstruktiven und nervenden Diskussion?
- Was wird gegen direkte Destruktivität gemacht?
- Ab wann gilt eine entgegenwirkende Idee als Zeitverschwendung?
- Wie geht man mit emotionalen Reaktionen um?
- Ist jeder darauf vorbereitet, seine Annahmen zu verteidigen?
Vorteile
- Alle Gruppenmitglieder erhalten die gleichen Informationen
- Bessere Abwägung von Möglichkeiten
- Verbesserte Argumentation und Stichhaltigkeit
So geht‘s
Ein beispielhafter Ablauf der Entscheidungsfindung nach der Regel des zehnten Mannes könnte wie folgt aussehen:
Schritt 1: Das Thema bzw. das Problem, über welches diskutiert werden muss, muss klar definiert werden.
- Das könnten die nächsten Schritte in einem Projekt sein, eine mögliche Lösung für ein Problem oder neue Geschäftsfelder sein.
Schritt 2: Die unmittelbare Diskussion der Gruppe und Festlegung der bevorzugten Entscheidung
- Diskutiere das Thema in der Gruppe und wähle die von die präferierte Entscheidung aus. Achte dabei darauf, dass neun von zehn Personen dieser Entscheidung zustimmen würden und wähle die Person aus, welche die Rolle des “zehnten Mannes” übernehmen wird.
Schritt 3: Identifikation des zehnten Mannes und der Nachteile, Fehler und Risiken der Entscheidung.
- Der zehnte Mann muss nun alle Schwachstellen und negativen Aspekte der Entscheidung der neun Personen finden und diese mit stichhaltigen Argumenten dementieren.
Schritt 4: Vorstellung der Kritik des zehnten Mannes vor der Gruppe
- Wenn der zehnte Mann genug Faktoren ermittelt hat, muss er diese Punkte den anderen vorstellen und plausibel erklären.
Schritt 5: Gemeinsame Analyse durch weitere Informationen und Einschätzung des zehnten Mannes
- Nach der Vorstellung können nun alle die Informationen auf Basis der Analyse des zehnten Mannes einschätzen und eine bessere und umfassendere Diskussion treffen.
Schritt 6: Finale Gruppenentscheidung durch alle Mitglieder
- Zum Schluss kann eine gemeinsame umfassend abgewägte Entscheidung getroffen werden, mit der alle Gruppenteilnehmer zufrieden sind.